Hin und her/Ecstasy, drei Zeichnungen, Bleistift, 33 x 35 cm
Hin und her/Ecstasy (drei Zeichnungen, Bleistift, 33 x 35 cm) Wie können wir uns nach neuen Formen, Symbolen, neuen Worten, neuen Kommunikationsformen zwischen zwei Völkern umsehen? Durch die vorliegenden Zeichnungen wollte ich durch Verwendung von Gestaltungselementen der Komposition und von Kompositionsprinzipien, welche Botschaften (Sprache), sowie Anhaltspunkte und Symbole der Identität eines Landes beinhalten, eine Form der Ähnlichkeit in ihrer Unterschiedlichkeit darstellen, eine neue Wiedererkennung, auf den zweiten Blick. Wie lässt sich die allgemeine Selbstverliebtheit der Völker umgehen, wer hält ihnen einen Spiegel vor, durch den sie daran gehindert werden, die gegenseitigen Ähnlichkeiten in der Art ihres Verhaltens zu erkennen und welche Vorurteile hegen sie gegenüber dem „Anderen“? Hedy Lamarr — auf den ersten Blick ist sie ein Filmstar — die schönste Frau auf der Welt, auf den zweiten Blick eine ernstzunehmende Erfinderin. Auf den ersten Blick ist sie Österreicherin oder Amerikanerin, auf den zweiten Blick ist sie staatenlos. Anders als die Wörter, die auf Gegensätze in der Gesellschaft hinweisen, bilden Zusammensetzungen von Wörtern – Pronomen, die wir hier ebenfalls sehen und die wir im alltäglichen Leben wiedererkennen – immer universale Themen, die uns gleichermaßen wehtun und freuen, antreiben und einlullen, doch eigentlich in jeder Hinsicht verbinden.
Hin und her/Ecstasy, drei Zeichnungen, Bleistift, 33 x 35 cm
Hin und her/Ecstasy, drei Zeichnungen, Bleistift, 33 x 35 cm

Lana Vasiljević

  • Lana Vasiljević (1973) schloss ihr Studium an der Fakultät der bildenden Künste Belgrad ab (Studiengang Bildhauerei). Seit 1997 stellt sie Skulpturen und Objekte aus und seit 2002 befasst sie sich aktiv mit Grafikdesign. Sie war Stipendiatin des KulturKontakt Austria-Programms sowie der ArtsLink Residency, ISCP in New York. Sie organisierte zehn selbständige Ausstellungen und wirkte bei über 50 Gruppenausstellungen mit (Belgrad, New York, Paris, Wien, Den Haag, Warschau). Sie erhielt mehrere Preise, und darunter auch den Skulptur-Preis des Oktobersalons 1997, GRIFON-Auszeichnungen für visuelle Identität 2006 und 2010, den Preis bei der 10. Aquarell-Biennale der Modernen Galerie, Zrenjanin 2013, den Jahrespreis für Skulptur des Verbandes bildender Künstler Serbiens (ULUS) 2020. Sie war als kreative Leiterin bei der DDB Worldwide Communications Group und als Lehrkraft an der Schule für Design Belgrad für das Fach Modellieren/Bildhauerei tätig. Ihre Arbeiten sind im Museum der zeitgenössischen Kunst Belgrad, dem Museum der Stadt Belgrad, in der Telenor-Sammlung sowie in privaten Sammlungen zu finden. Sie lebt und arbeitet in Belgrad. Mehr Infos hier.
Ohne Titel
Ohne Titel (Wandwirkerei, 46 x 30,5 cm, 2021) Diese im Jahr 2021 [2020?] entstandene Arbeit thematisiert das Phänomen der Gastarbeiter, die nach dem Krieg in Schüben Jugoslawien verließen und am häufigsten nach Deutschland und Österreich auswanderten. Sie folgten Berufen, für die sie gut bezahlt wurden und meistens planten sie dabei, Geld zu sparen, das sie nach ihrer Rückkehr für den Erwerb von landwirtschaftlichen Maschinen, Autos, der Renovierung des Hauses oder für die Gründung eines eigenen Unternehmens im Heimatland verwenden wollten. Nicht selten wurde das Bild von einem unübertrefflichen Paradies im Sozialismus durch den realen Zustand nach bei jeder Rückkehr in ihre Heimat getrübt und daher entschieden sie sich großteils dazu, im Ausland zu bleiben. Dadurch zeigten sie strukturelle Schwächen der jugoslawischen Wirtschaft und vor die Unfähigkeit des Staates auf, eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen zu sichern. Ihre nationale Selbstbestätigung brachten die Gastarbeiter durch Megalomanie, Kitsch-Spektakel sowie durch die Musikrichtung Turbo-Volksmusik („turbo folk“) zum Ausdruck. In diesem konkreten Fall ist die Hochzeit eines Rückkehrers als Grundlage für die Stärkung der niedrigsten Zugehörigkeitsgefühle dargestellt. Der gezeigte Gobelin ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Rajka Stanić und Bestandteil des Master-Projekts "Zeitgeist".

Aleksej Sivcevič

  • Aleksej Sivcevič (26) wurde in Užice, Serbien, geboren und studierte Grafik an der Akademie der bildenden Künste Trebinje. Gegenwärtig besucht er den Masterstudiengang an der Akademie der Künste in Novi Sad (Grafik-Department). Bislang wirkte er an Gruppenausstellungen in Serbien, Bosnien-Herzegowina, Rumänien und Nordmazedonien mit und wurde mit mehreren Preisen und Anerkennungen ausgezeichnet: 31. Regionaler Kunstsalon in Užice – zweiter Preis (2019), Jahrespreis des Grafik-Departments der Akademie für bildende Künste Trebinje (2018), Preis der Universität Ost-Sarajewo für außerordentliche Leistungen im Laufe des Studiums (2015), 6. Beokulis – erster Preis für einen Zeichentrickfilm (2014). Er ist Mitglied des Vereins der visuellen Künstler Užice (UVUU).
Studie einer Skulptur: Für Bretteldorf (Video, 00’22“, 2019, erstmalige Ausstellung) Bretteldorf war Ende des 19. Jahrhunderts eine wilde Siedlung und Müllablage am Rand Wiens. Die Anwohner lebten im Schlamm in Hütten, die aus Blech, Brettern und Kartons gezimmert wurden und bestritten ihren Unterhalt vorwiegend durch den Verkauf von wiederverwerteten Stoffen, die sie auf der Deponie fanden. Wegen der rechtswidrig entstandenen Siedlung versuchte die Stadtverwaltung mehrmals, die Bretteldorfer Gemeinschaft umzusiedeln. Obwohl sie mit ihren landwirtschaftlichen Produkten dabei half, Wien nach dem Ersten Weltkrieg mit Lebensmitteln zu versorgen, initiierten die Stadtbehörden im Jahr 1926 einen energischeren Versuch zur Umsiedlung, doch die Gemeinschaft schaffte es, sich im sogenannten „Bretteldorfer Krieg“ eigeninitiativ zu organisieren. Im Zweiten Weltkrieg wurde Bretteldorf zu einer berüchtigten Hinrichtungsstätte. Nach jahrelangen wiederholten erfolglosen Versuchen wurde die Bretteldorfer Gemeinschaft 1964 anlässlich der Ausrichtung der größten Internationalen Gartenschau in Wien (WIG 64) umgesiedelt. Bretteldorf wurde niedergebrannt und geräumt, an dessen Stelle wurde eine Parkanlage errichtet (der heutige Donaupark) – ein bedeutendes Ereignis in der Nachkriegszeit in Österreich. Heute sind viele Wahrzeichen der Ausstellung abgebaut oder umfunktioniert worden. Die Kartonskulpturen stellen eine Studie ephemerer Denkmäler für die verloren gegangene Bretteldorfer Gemeinschaft dar, auf der Grundlage von Fotounterlagen von WIG 64, die aus dem Archiv der Wiener Stadtgärten und des Österreichischen Gartenmuseums stammen.
Studie einer Skulptur: Für Bretteldorf

Andrea Palašti

  • Andrea Palašti (geboren 1984) ist eine visuelle Künstlerin und Lektorin aus Novi Sad. Ihr Werk transzendiert künstlerische und kuratorische Grenzen, durch Experimente mit Fotografien, Videoaufzeichnungen und illustrierten Vortragsperformances experimentiert. Sie legt ihren Schwerpunkt auf Fragen der Kulturgeografie und Altagsgeschichte. Ihr Schaffen basiert oft auf einer Zusammenarbeit mit anderen Kollektiven, Künstlerinnen, Studenten, Journalisten, Wissenschaftlerinnen oder Historikern. Seit 2014 arbeitet sie mit Bildforscher Daniel Popović an der Erforschung von Bildarchiven als Mittel um einen nuanciertes Verständnis der Welt zu ermöglichen. Sie ist ein Mitglied des Schock-Galerie-Teams (Šok Galerija) und Dozentin für das Fach Kunstelemente an der Kunstakademie in Novi Sad, wo sie ihre kollaborativen Forschungsprojekte mit Bildungsstrategien verknüpft.
Utopian Technique
Utopian Technique (Readymade-Objekt: Reisepass, 12,5 x 9 cm, 2021) Die Idee ist, dass den Zuschauer anzuregen, die Möglichkeit der Überwindung von aufgezwungenen – sowohl leiblichen als auch geistigen – Grenzen zu denken. Ich habe die Merkmale eines Staates aufgehoben. Diesen Vorgang rechtfertige ich mit meinem Wunsch und meiner utopischen Vision über die Abschaffung von Grenzen, vor allem jetzt, in einem Augenblick, in dem alle ihre Grenzen verschlossen haben. Damit ist der Reisepass an sich „überflüssig“ geworden. Auf diese Idee bin ich in einem Augenblick gekommen, als ich begriffen habe, dass die Reisepässe aus Österreich und Serbien eine ähnliche Farbe haben, und wenn man die Merkmale auf der Vorderseite auslässt, dann kommen wir zu einer Option, in der wir nicht wissen, um welchen Reisepass es sich eigentlich handelt. Durch diesen Akt kommt es zu einer scheinbaren symbolischen Gleichstellung.
Utopian Technique

Boris Burić

  • Boris Burić (1981) ist ein intermedialer Künstler aus Belgrad. Seine Arbeiten sind konzeptuell ausgerichtet und beruhen häufig auf der Idee einer gesellschaftlichen und künstlerischen Kritik, die durch Galerieaktionen und Kunstaktionen außerhalb von Galerien zum Ausdruck kommt. Seine Interessensbereiche sind Film, Fotografie, Aktion, Performance und Kollage. Er arbeitet mit diversen Künstlern, Kuratoren, Galerien usw. zusammen und stellt in Serbien sowie in der Region selbständig und in Gruppenausstellungen aus. Sein Lebens- und Arbeitsbereich spielt sich zwischen Belgrad und Rijeka ab.
Rag rug
Rag rug (Fleckerlteppich, handgenähter Wandteppich aus aufgetrennter Camouflage-Kleidung, 530 x 380cm, 2017-2020) Aufgetrennte Camouflage-Mode und Militärkleidung wurde unter Beibehaltung der Schnittmuster zu Hügelketten und Bergen vernäht. Diese sind zu einem großen Landschaftsbild kombiniert, das in der tarntechnischen Reduktion eine abstrahierte oder vereinfachte Landschaft darstellt. Camouflage-Klei­dung ermöglicht ihren TrägerInnen, sich visuell in eine Landschaft zu integrieren, indem sie deren Ober­flächen inkorporieren. In Kombination mit der Vorstellung von Identität und Zugehörigkeit vermittelt die Kleidung auch ein Verteidigungs- bzw. Bedrohungsszenario. Als Mode finden die militärisch konnotier­ten Muster Eingang in Alltags- und Begegnungsräume. Als Landschaft dargestellt, eröffnet der Wandteppich Themen wie Identifizierung mit und „Besitz“ von Land als einen Aspekt des Konzeptes von Nationalstaaten.
Rag rug
Rag rug

Catrin Bolt

  • Catrin Bolt (geboren 1979) lebt und arbeitet in Breitenstein und Wien. Sie studierte von 1997 bis 2003 bei Peter Kogler in der Medienklasse an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Bolt befasst sich mit der inhaltlichen, geschichtlichen und architektonischen Komplexität von Räumen und Orten. Mithilfe von Fotos, Skulpturen und Installationen werden diese – über minimale Eingriffe und unorthodoxe Darstellungen – in ihrer Vielschichtigkeit erfahrbar. Die Künstlerin erforscht das Potenzial von Kunst in Alltagsräumen und -objekten. Im Gebrauch und der Neuperspektivierung von Alltagsgegenständen, die oft auf humorvolle, ironische und spielerische Weise symbolisch umgewertet werden, und mit den Kunstgriffen von Fiktionen, Fakes und subtilen Irritatio­nen trotzt sie gesellschaftlichen Gegebenheiten neue Sichtweisen ab. Mit diesen Strategien macht sie gesellschaftliche Absurditäten ebenso wie die imaginäre, aber auch reale Macht von Zeichensystemen sichtbar. In Mahnmalprojekten entwickelte sie eigenständige Formen einer zeitgenössischen Erinnerungskultur - so konnte sie 2010 das Mahnmal für die zwei Zwangsarbeitslager in Viehofen bei St. Pölten realisie­ren; 2013-2017 realisierte sie die stadtübergreifenden Mahnmale Lauftext (Graz) und Alltagsskulpturen (Wien). 2015 erhielt sie den renommierten Otto Mauer-Preis, sowie den Zuschlag für die Umsetzung zweier Ehrenmäler im Arkadenhof der Universität Wien. 2019 wurde sie für ihr Projekt „privater EU-Grenzzaun“ mit dem Theo­dor-Körner-Preis ausgezeichnet.
And in the eyes of the hungry there is a growing wrath (Und in den Augen der Hungrigen wächst der Zorn, vierkanalige Audio-Videoinstallation, 06’20″, 2016) Der Titel dieser Audio-Video-Installation ist ein dem Buch von John Steinbeck „Früchte des Zorns“ (1939) übernommener Satz. Dieser epische Roman über die Not, den Exodus, die Ausbeutung und gesellschaftliche Marginalisierung einer Farmerfamilie aus dem Mittleren Westen zur Zeit der Großen Depression in den Dreißigerjahren bildet den Referenzrahmen für Doplgengers Blick auf wirtschaftlich verursachte, historische und zeitgenössische Migrationsströmungen. Doplgenger greift dafür in Aufnahmen des jugoslawischen Fernsehens ein, in denen die zeitlich befristete Wirtschaftsmigration in westeuropäische Länder in den Sechzigerjahren aufgezeichnet wurde.
And in the eyes of the hungry there is a growing wrath

Doppelgänger Collective

  • Doplgenger ist ein Künstlerduo, das aus Isidora Ilić und Boško Prostran aus Belgrad besteht und sich mit Film-/Videokunst, Forschung, Literatur und ein. Doplgenger setzt sich mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Politik auseinander, indem es das Format der beweglichen Bilder und ihre Rezeption hinterfragt. Das Fundament bildet dabei die Tradition des experimentellen Films und Videos. Doplgenger greift mittels einiger der in diesen Traditionen vorgesehenen Verfahren in bestehende Medienprodukte ein oder produziert selbst in der Form des erweiterten Films. International wurden die Arbeiten des Duos in Einrichtungen wie dem Museum in Wiesbaden, dem Kunstmuseum in Bonn, dem Centre Pompidou in Paris, dem Stedelijk Museum Bureau in Amsterdam, der Ossage Gallery in Hong Kong, dem Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb gezeigt. Filme von Doplgenger wurden im Rahmen von offiziellen Selektionen bei Filmfestivals wie dem International Film Festival Rotterdam, dem Seattle International Film Festival, dem Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, dem Cairo Video Festival ausgestrahlt. 2015 erhielt Doplgenger den Politika-Preis für die beste Ausstellung.
Lost authenticity
Lost authenticity, Fotodruck auf 3mm Alu-Verbundplatte, 800 x 1200 mm, 2014-2015 Glatzen, Sinnbilder für Rechte, Hooligans, Aufwiegler. Glatzen sind aber auch das Symbol für Gefangene, unterdrückte Menschen in Lagern. Abscheren des Haupthaars gilt bis heute als ein politisches Instrument der Entwürdigung, das von allen Institutionen, die den totalen Verlust von Persönlichkeit anstreben, vom KZ bis zur Armee, eingesetzt wird. Kahle Köpfe sind auch Indizien für Krankheiten. Daher rührt auch, dass kahle Köpfe Mitleid oder Hass und Angst auslösen können. An Haaren haben sich bereits Revolutionen festgemacht, Haare als Symbol für Freiheit und Gleichheit. Eva Maria Schartmüller ́s Arbeit LOST AUTHENTICITY arbeitet sich an den verschiedenen Ansätzen ab und überlasst uns ein reduziertes, nüchternes Schwarzweiß Foto eines kahlen weiblichen Schädels von Hinten. Wie ein Fetisch liegt ein eingerollter Teppich, eine aus menschlichem Haar gefilzte Matte, neben dem Foto, wie aus dem Bild gefallen. Kopf und Haar wurden voneinander isoliert, was ursprünglich zusammengehört fällt auseinander. Die Kombination zeugt von Verlust, Unterdrückung, Entindividualisierung. Mit dem Verlust der Authentizität verliert der Mensch sowohl Würde als auch Wurzeln, ein Trauma entsteht. Normierung wird unter dem Deckmantel der Globalisierung legitim, Individualisierung weicht einem verqueren Nationalgedanken. (Denise Parizek / Curator 2021)
Lost authenticity
Lost authenticity

Eva Maria Schartmüller

  • Eva Maria Schartmüller, geboren 1961. Zurzeit lebe ich in Wien / Österreich und Pernitz / Österreich (Niederösterreich), wo sich auch mein Studio befindet. Ich arbeite im Bereich der konzeptionellen Installation einschließlich elektronisch-digitaler Technologien und im Bereich der Performance mit selbstexperimentellem Ansatz. Der Fokus meiner künstlerischen Arbeit liegt in gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Prozessen. Mehr info hier
Everything possible: Serbin Österreicherin (Alles möglich, Installation/auf Papier befestigte Karteikarten, verschiedene Dimensionen, 2020-21) Angebote für Dienstleistungen, Angebote, die Selbstbeschreibungen sind. Seit 2005 sammle ich Stellengesuche. Indem ich den genauen Wortlaut übernehme, mache ich eine Bestandsaufnahme der Realität, des Vorgefundenen und des Formulierten, vereinheitliche die Form und drucke sie auf Karteikarten. Für den engen Rahmen dieses Projekts konzentriere ich mich auf Inserate von serbischen und österreichischen Frauen. Das ist mehr als eine bloße Ansammlung von Material. Es ist eine Darstellung des alltäglichen Leidens in der Gesellschaft. Meine Arbeit entzieht sich der Sensation. Ich nehme den Alltag und seine Abgründe wahr, die nichts Sensationelles haben. Diese Abgründe sind trist, unwichtig, abgestanden. Die Anzeigen, die täglich in Zeitungen und im Internet erscheinen, sprechen von Normalität, einer vermeintlich sicheren Ebene, auf der Konsens herrscht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich die strukturelle Gewalt in der Masse der Anzeigen: Sie sind Angebote zur Selbstausbeutung. Aussagen, die nur scheinbar sachlich sind, zielen auf Vorurteile und Klischees. Hinter jeder dieser Anzeigen steckt eine Lebensgeschichte, mit allen Unsicherheiten und Identitätsverschiebungen. Einen längeren Text von Nora Sternfeld & Ljubomir Bratić finden Sie hier.
Everything possible: Serbin Österreicherin
Everything possible: Serbin Österreicherin
Everything possible: Serbin Österreicherin

Hannah Stippl

  • Hannah Stippl ist eine zeitgenössische österreichische Künstlerin und Landschaftstheoretikerin. Sie ist vor allem für ihre beeindruckenden Landschaftsbilder bekannt, die spielerisch an der Schnittstelle von Ornament und Bild balancieren. In ihren Arbeiten verbindet sie Forschungen in Bereichen wie Mythologie, Feminismus oder Ökologie mit Individualität, Emotion und Schönheit. Gemeinsam evozieren diese Strukturen jene mehrdeutigen Naturszenerien, die sie besonders interessieren, vertraut und fremd zugleich. Geboren in Wien, studierte Hannah Stippl Philosophie, Kunstgeschichte und Malerei an der Universität für angewandte Kunst Wien. Hier promovierte sie 2011 im Bereich der Landschaftstheorie. Ihre Dissertation bietet die erste umfassende Auseinandersetzung mit den landschaftstheoretischen Aquarellen von Lucius Burckhardt. Von 2005-2017 lehrte sie an der Universität für angewandte Kunst Wien in der Abteilung Landschaftsdesign/kunst. Ihre theoretische Beschäftigung mit kulturgeschichtlichen und ökologischen Aspekten von Pflanzen, Gärten und Landschaften beeinflusst ihre künstlerische Arbeit grundlegend. Hannah Stippl kuratierte außerdem zahlreiche Ausstellungen und betreibt den Ausstellungsraum puuul in Wien. Sie lebt und arbeitet in Wien, Elsbach/ Niederösterreich und Aguilas/ Spanien.
When I was young and wild
When I was young and wild (C Print, 20 x 30 cm, 10 x 15 cm, 2019) Als sie erfuhr, dass ich aus Serbien komme, fragte mich eine Studienkollegin von der Akademie der bildenden Künste Wien, wie ich mich denn so als Kriegsverbrecher fühlte. Um die richtige Antwort darauf zu finden, habe ich unsere Familiengeschichte durchkämmt und ein Foto gefunden, das die politische Gesinnung meiner Familie eindeutig aufzeigt. Die Fotografie habe ich dann mit folgendem Text unterlegt: „Mein Vater hat mich vier Jahre vor dem Kriegsausbruch in Kroatien, bzw. fünf Jahre vor dem Krieg in Bosnien fotografiert. Auf meinem Kopf ist seine Mütze der Jugoslawischen Armee, JNA mit dem Stern der Kommunistischen Partei zu sehen, den er daran geheftet hat, als er seinen Wehrdienst leistete. Das Gewehr gehörte meinem Großvater. Er trug es stets bei sich, wenn er als Traktorfahrer das Land bestellte, das davor sein Eigenbesitz gewesen war und das nach der Errichtung der Föderativen Republik Jugoslawien verstaatlicht wurde. Das Fernglas, den Gurt und das Bajonett hatte mein anderer Großvater von einem deutschen Offizier im Zweiten Welkrieg beschlagnahmt. Er hatte ihn gefangen genommen, als er bei den Partisanen gegen die Verbände der Wehrmacht kämpfte, die sich vor dem Andrang der Roten Armee durch Slawonien Richtung Wien zurückzogen.“
When I was young and wild

Igor Ripak

  • Igor Ripak (1982, Zrenjanin) ist ein Künstler und Fotograf. In seiner künstlerischen Praxis verwendet er transformative Verfahren transmedialer Adaptierung und legt einen Schwerpunkt auf sozialpolitische Themen, die unsere Realität prägen. Seinen Abschluss machte er an der Akademie der bildenden Künste Wien im Jahr 2020 in der Klasse von Prof. Dr. Yair Martin Guttmann. Er wurde im Jahr 2020 mit dem Preis der Akademie der bildenden Künste Wien ausgezeichnet. Im Laufe seiner langjährigen Laufbahn als Fotograf arbeitete er mit zahlreichen Kultureinrichtungen wie dem Wiener Konzerthaus, dem Musikverein Wien, der ERSTE Stiftung, der Brunnenpassage zusammen. Er wirkte als Setfotograf an preisgekrönten Spielfilmen und Kurzfilmen mit (Min faster i Sarajevo, Refugee 532) und ist der Koautor des Stückes „Eins komma etwas“, welches in LeStudio in Belgrad aufgeführt wurde. Mehr Infos hier.
Stimmung (Videoinstallation, variable Größe, 2021) erzählt die Geschichte über Branka, eine Schlagersängerin, und Vladica, einer Künstlerin und Eigentümerin der Bar, in der Branka auftritt. Branka ist ein berühmter Star an eklektischen, trendigen Orten an denen sie vor einem breiten Publikum singt: von der Arbeiterklasse bis hin zu Akademikern, von Nationalisten bis hin zu Linken, von Homophoben bis hin zu LGBT- und Queer-Communities. Ihre Auftritte bringen nicht nur Leute zusammen, die durch unversöhnliche Gegensätze geprägt sind, sie bieten auch ein Spielfeld für die Entwicklung von gegenseitigem Verständnis. Im Laufe ihrer kathartischen Auftritte werden sämtliche Vorurteile aufgehoben. Vladica ist eine junge, fortschrittliche Frau, die in Schweden aufgewachsen ist und mit sämtlichen Tabus der lokalen Gemeinschaft bricht; sie ist häufig eine Zielscheibe von Vorurteilen, sowohl in Serbien als auch in Europa, wegen der aufgezwungenen politischen Korrektheit derjenigen, die sich selbst für fortschrittlich halten, aber auch aufgrund der Beleidigungen seitens jener, die wegen der gesellschaftlichen Neuerungen und Veränderungen verwirrt sind. Diese beiden auf den ersten Blick vollkommen unterschiedlichen Frauen treten gemeinsam auf der Bühne auf und hinterlassen dabei den Eindruck einer starken Schwesternschaft, durch die nicht nur Frauen, sondern auch alle anderen gestärkt werden. Die Narration folgt Brankas Plan, eine Reise nach Wien zu unternehmen, wo sie in Bars auftreten will. Dem Unterfangen liegen existenzielle Gründe, aber auch Ehrgeiz zugrunde. In der Form eines sonderbaren Varietés trägt Branka bekannte Abschnitte aus Volksliedern vor, die sie für das Wiener Publikum ausgesucht hat, und Vladica unterstützt sie bei der Umsetzung dieses Ziels.
Stimmung

Ivana Ivković, Marina Marković

  • Marina Marković (1983, Belgrad) absolvierte ihr Grund- und Masterstudium der Malerei an der Fakultät der bildenden Künste in Belgrad, wo sie gegenwärtig Doktorandin im Bereich Neue Medien an der Kunstuniversität Belgrad ist. Seit 2006 stellt sie auf diversen Gruppen- und Einzelausstellungen weltweit aus. Sie beteiligte sich an Austauschprogrammen am ISCP in New York, am ZETA in Tirana, sowie im Q21 – MuseumsQuartier Wien. Körper und Verkörperlichung sind zentrale Motive in Marinas künstlerischer Praxis. Diese reicht von der Konfrontierung mit persönlichen Erfahrungen hin zur Erörterung komplexer sozialer Fragen, welche gegenüber dem Frauenkörper aufkommen. Ivana Ivković (1979, Belgrad) wurde mit ihren Zeichnungen, Performances und ortsspezifischen Arbeiten, in denen sie die bekannten klassischen Frauen- und Männerrollen problematisiert, international bekannt. Die Begriffe der Identität und der Geschlechtererfahrung spielen eine entscheidende Rolle in ihrer Arbeit. Ivković untersucht sie, indem sie den Männerkörper als Performance-Instrument in orchestrierten Szenen oder lebendigen Bildern benutzt, wodurch sie Effekte der Zerbrechlichkeit, Vergänglichkeit und bestimmte psychologischer Zustände erzielt, durch welche die Beobachter gleichzeitig mit übertriebenen Gefühlen und mit ambivalenter Stille konfrontiert werden. Ivanas nomadischer Lebensstil und ihr Kontakt mit diversen Kulturen beeinflusste ihr Werk, das von ihr zwischen persönlicher Geschichte und kollektiver Erinnerung entwickelt wird.
Haus der Blumen
Julian Turners Installation ,,Haus der Blumen" (variable Größe, mindestens 5x5 m, 2019) zeigt eine Auswahl der stilistischen Highlights der einstigen Wirkungsstätte und des heutigen Mausoleums von Josip Broz Tito. Zitat, Selbstzitat und Materialzitat geben sich die Hand. Die repräsentativen Säulen der Installation sind gefliest mit Fotos von Kaugummis. Auf einem Sideboard aus Leinwänden tummeln sich Repliken und Neuinterpretationen der Stafetten, die einst am Tag der Jugend von Kinderhand zu Kinderhand durch ganz Jugoslawien getragen wurden, um dem Staatschef die Ehre zu erweisen. Manche von ihnen sind Flaschen. Und das Modell seines Luxuszuges — in diesem Fall eine österreichische Version — dient als Bar. Auf schrullige und feinfühlige Art führt Julian Turner so spleenige Ästhetiken fort, die erst in der Neuinterpretation ihren hintergründigen Charme zu offenbaren scheinen.
Haus der Blumen
Haus der Blumen

Julian Turner

  • Der 1985 in Hamburg geborene Künstler Julian Turner lebt und arbeitet in Wien. „Geplante Imperfektion“ durchdringt die multimedialen Arbeiten Turners, in denen er Konventionen des Kunstbetriebes zitiert und humorvoll infrage stellt. Collagen, Modelle, Materialimitationen und oft wiederholte Motive wie Essen, Architektur und Technik werden appropriiert von allem, was der Künstler interessant findet, und von ihm in den Ausstellungsraum verpflanzt. Neue Bedeutungen werden durch seine typische Signatur, die sich im besten Sinne des Wortes als Amateurs-Signatur beschreiben lässt, hinzugefügt. Mit Bar du Bois – einem Hybrid aus Ausstellungsraum, funktioneller Bar und kollaborativem Kunstprojekt – hat der Künstler ein sich immer weiter entwickelndes Format kreiert, das eine soziale Unterwanderung des Ausstellungsraums unternimmt. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien, unter anderem bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe.
Im letzten Jahrzehnt ist das Thema Migration zu einem bestimmenden Phänomen öffentlicher Debatten geworden. Die Aufbereitung dieses Themas dient des Öfteren als Instrument rechtspopulistischer Mechanismen. Dabei wird oft übersehen, dass es Vertreibung, Flucht und Migration schon immer gegeben hat und diese für das Erscheinungsbild Europas von maßgeblicher Bedeutung waren und noch immer sind. Der Film „Inđija“ (Dokumentarfilm/Video, 20’, 2020) nähert sich dieser Thematik von einem individuellen, persönlichen Standpunkt aus und versucht dabei einen bestimmen Aspekt von Migration zu erfassen: den des Unerwünschtseins. Die ProtagonistInnen des Films sind sogenannte „Donauschwaben“, eine deutschsprachige Minderheit in Jugoslawien. Da ihnen eine kollektive Verantwortung an den Verbrechen des NS-Regimes zugeschrieben wird, müssen sie ihren Heimatort Inđija, welcher unweit von Belgrad liegt, 1944 verlassen und in Österreich eine Zuflucht suchen. Die Protagonist*innen sprechen über ihre Kindheit in Jugoslawien sowie über ihre Beziehung mit den Menschen in Serbien, vor und nach der Invasion der Nazis auf dem Balkan.
Inđija
Inđija

Leonhard Pill

  • Leonhard Pill, geboren in München, lebt und arbeitet als Filmemacher, Soundkünstler und Sozialarbeiter in Wien. Zusammen mit der Death Metal Band Over Your Threshold veröffentlichte er ein Album, das 2012 bei dem Majorlabel Metal Blade Records erschien. Seine Kurzfilme wurden bei Festivals wie Great Lake Shorts, Cinema Next oder Crossing Europe 2020 gezeigt. Pills Arbeiten untersuchen Sprachen und kulturelle Phänomene, Familie oder psychologische Fragestellungen. Derzeit bereitet er einen neuen Film vor und er beschäftigt sich mit der Transformation von Licht zu Klang.

Animation eines Ausschnitts aus der Zeichnung "Wie ein Haus", Tinte auf Leinen, 2019.

Die Zeichnung ,,Wie ein Haus" (Tinte auf Leinen, 2019) wurde in der Galerie des Salons des Museums der zeitgenössischen Kunst Belgrad im Rahmen der Ausstellung ,,Conquistador. From Culture and Art" vorgestellt. Die Zeichnung ,,Wie ein Haus" wurde nach der Vorlage einer Zeichnung von Richard Neutra, einem österreichischen Architekten angefertigt, der sich im Laufe des ersten Weltkriegs, 1915 in Trebinje aufhielt. Freud verbrachte im September 1898 im Rahmen seiner Reise entlang der Adriaküste eine gewisse Zeit in Dubrovnik, von wo aus er, von einem Verwandten, der als Arzt in der Militärgarnison in Trebinje stationiert war, überredet wurde, einen eintägigen Ausflug nach Trebinje zu unternehmen, um die Überreste des Hauses eines Beys (und gegebenenfalls eines Harems, von dem er fasziniert war) sowie der Lebensweise darin zu besichtigen. Wichtige Texte von Freud sind nach diesem Besuch entstanden (dem er übrigens in seinen Briefen und Texten keine allzu große Bedeutung beimisst), doch der Besuch selbst wurde fabulisiert und antidatiert.

Die besagte Zeichnung wurde animiert, so wie die Worte „Herr, was ist da zu sagen? Ich weiß, wenn er zu retten wäre, hättest du ihn gerettet” geschrieben sind. Diese bezeugen das volle Vertrauen, das die lokalen Bewohner in den Arzt aber auch in ihr Schicksal setzten.

Wie ein Haus
Wie ein Haus

Mariela Cvetić

  • Dr. Mariela Cvetić, Künstlerin und Kunsttheoretikerin, ordentliche Professorin an der Architekturfakultät der Universität Belgrad, ist Autorin von zahlreichen Einzelausstellungen und hat an zahlreichen Gruppenausstellungen teilgenommen. Sie war eine der Autorinnen der Ausstellung im serbischen Pavillon bei der 11. Architekturbiennale in Venedig 2008. Sie veröffentlichte unter anderem: „Das Unheimliche: eine psychoanalytische und kulturelle Raumtheorie“ (Belgrad, 2011), "The Artist's Book/Umetnikova knjiga" (Belgrad, 2014), ,,Zum Maßstab: Monumentalisierung von Miniaturisiertem“ zusammen mit Jasmina Čubrilo (Belgrad, 2019) sowie zahlreiche Kapitel in verschiedenen Monografien. In ihrer künstlerischen und theoretischen Arbeit setzt sie sich mit Problemen der Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Raum auseinander. Mehr Infos hier.
Budget Rebellion (Aktion, Video, 6'30", Wien, 2017). Ausgangspunkt des Films sind arbeitsuchende Männer, die ich am „Arbeiterstrich“ auf der Triesterstraße in Wien antraf. In jeder größeren Stadt gibt es diese Orte, an denen Menschen, die ansonsten keine Möglichkeit haben, auf legale Art und Weise zu arbeiten, auf eigene Faust Dienstleistungen anbieten. Es sind moderne Tagelöhner, die in keinem festen Arbeitsverhältnis stehen und bereit sind, für einen geringen Stundensatz jede noch so kleine handwerkliche Tätigkeit zu verrichten. In dieser prekären und risikoreichen Lage, stehen sie abseits der Gesellschaft. In der Auseinandersetzung mit den Arbeitern stellte ich mir die Frage, wie groß deren Potential sei, als Kollektiv aktiv zu werden und gegen ihre Arbeits- und Lebensbedingungen aufzubegehren? Wie könnte ein Widerstand dieser Männer aussehen? Welche Formen könnte er annehmen und mit welchen Mitteln könnte er umgesetzt werden?
Budget Rebellion
Budget Rebellion
Budget Rebellion

Michael Heindl

  • Michael Heindl (*1988 in Linz) lebt und arbeitet als Filmemacher und Künstler in Wien. Er studierte Malerei an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Heindl kreiert – konzeptuelle – Scherze. Seine Kurzarbeiten sind um Reihen von wiederholten Handlungen oder Variationen zu einem Thema konstruiert. Die Methode ist minimalistisch, aber die Technik der Akkumulation ist rhythmisch und führt mitunter zu überraschenden Ergebnissen. Heindls Kunstwerke reflektieren die strikte Reglementierung unserer Gesellschaften und finden zugleich spielerische Arten, die Pfade der Ordnung und des Nutzens zu subvertieren.

     

Die Zusammenhänge und gegenseitigen Einflüsse zweier, oder in diesem Fall dreier Völker: der Deutschen, der Österreicher und der Serben, spiegeln sich am deutlichsten in der Sprache wider. Diese gegenseitigen lexikalischen Einflüsse sind das Ergebnis von unter verschiedenen geschichtlichen Bezugsrahmen veränderlichen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern. Das 30 Minuten lange Video ,,Ausgewanderte/ Eingewanderte Wörter" (2019) stellt eine persönliche Reflexion über eine lange Untersuchung über den Kontakt zwischen zwei Sprachen, der deutschen und der serbischen, dar. Dabei handelt es sich um eine Animation von Wörtern / Wörterbüchern der Germanismen, Slawismen und Serbismen. Der Ausgangspunkt für dieses Werk war das Buch ,,Deutsche Einflüsse in unserer Sprache" (1937) des Germanisten Miloš Trivunac (1876-1944), einem angesehenen Germanisten, Professor und Mitbegründer des Lehrstuhls für deutsche Sprache und Literatur an der Belgrader Universität. Wenn man sich das Video ansieht oder in dem Wörterbuch liest, lässt sich ein Einfluss in sämtlichen Bereichen, angefangen von Technik, über Gastronomie, Militär, Politik… bis hin zu Kultur nicht leugnen. Die Sprache wird von der Schrift geprägt, deren visuelle Erkennbarkeit sich mit dem Bewusstsein über die nationale Identität allgemein weiter durchsetzte. Vor diesem Hintergrund wurden die Schriftarten Zentenar Fraktur OsF und Miroslav gewählt. Das Video ,,Ausgewanderte/Eingewanderte Wörter" wurde 2019 auf der gleichnamigen Ausstellung / Installation im Goethe Institut in Belgrad vorgeführt. Die Installation ,,Ausgewanderte/Eingewanderte Wörter" bildet die Grundlage für das animierte GIF Lateinisch vs Kyrillisch (Latinica vs Ćirilica / Lateinisch vs Kyrillisch / Latin vs Cyrillic), das für Online-Ausstellung ,,Na drugi pogled // Auf den zweiten Blick // At Second Glance" konzipiert wurde. Näheres dazu hier.
Ausgewanderte/Eingewanderte Wörter

MIRArt Mirjana Đorđević-Thaler

  • MIRArt — Mirjana Đorđević-Thaler wurde 1967 in Belgrad geboren. Nach Abschluss des Studiums an der Belgrader Kunstakademie 1994 setzte sie ihre Kunstausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Klaus Rinke fort (1994 — 1997). 1999 erwarb sie an der Belgrader Kunstakademie ihren Magisterabschluss. Ihre Installationen zeichnen sich durch eine sublimierte minimale Ästhetik aus, das Ergebnis eines hingebungsvollen konzeptuellen Ansatzes mit einer räumlichen, materiellen und medial artikulierten Behandlung des Themas. Seit 1989 stellte sie im Rahmen von zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland aus und erhielt dafür zahlreichePreise. In den neunziger Jahren richtete sie zahlreiche Ausstellungen in der Galerie des Studenten-Kulturzentrums Belgrad (SKC) aus. Seit 2005 lebt sie in Wien, wo sie mit folgenden Institutionen zusammenarbeitete: KulturKontakt Austria, MUMOK, Kunsthalle Wien, MuseumsQuartier, museum in progress, Infoscreen, Der Standard, Secession, Kunstbüro Gallery, Künstlerhaus Wien — Passagen Gallery, Forum Stadtpark Graz, KÖR — Art in Public Space, Art & Idea, The Austrian Cultural Forum Tokyo.
Malo morgen

Siebdruck auf Stücken einer gefundenen österreichischen Landkarte,
~12 x ~21,5 cm, 2020 / gedruckt mit Unterstützung von Matrijaršija in Belgrad

Der Druck „malo morgen“ thematisiert die kulturellen Verflechtungen zwischen Serbien und Österreich, durch Sprache sichtbar gemacht. Mit Sprache lässt sich in der Tat viel erzählen... Im Serbischen und (Österreichisch-) Deutschen tauchen viele gleiche oder ähnliche Wörter auf – Reminiszenzen an die Geschichte, Hinweise auf interkulturellen Austausch. Einige dieser sprachlichen Vermischungen stammen aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, andere sind Hinweise auf Einwanderungsbewegungen aufgrund wirtschaftlicher Faktoren oder der Flucht vor dem Krieg in Jugoslawien.  Während meiner Aufenthalte in Serbien erlebte ich viele überraschende Momente, in denen ich diese gemeinsamen Wörter entdeckt habe. Die Redewendung „malo morgen“ hat mein Interesse geweckt – sie ist wie ein sprachlicher Remix: Das Wort „malo“ ist serbisch und bedeutet „klein“ oder „ein wenig“; das Wort „morgen“ ist deutsch und bedeutet „der nächste Tag“. Diese beiden Wörter werden kombiniert, um auszudrücken, dass etwas sehr unrealistisch ist, so zu passieren – meist übersetzt mit „niemals!“, „in deinen Träumen!“. Abseits dieser sprachlichen Ebene gibt der Druck einen Einblick in meinen aktuellen persönlichen Prozess. Jahrelang war ich von Fernweh getrieben – ich habe davon geträumt in der Ferne herum zu schweifen und durch mir unbekannte Länder zu streifen. Aber irgendwie hielt ich mich lange Zeit selbst zurück. Als ich letztes Jahr große Schritte in Richtung dieses Traums gemacht hatte, begann die Pandemie und viele Grenzen wurden geschlossen. Doch im Sommer war es dann möglich, Österreich zu verlassen und mich auf den Weg Richtung Osten zu machen... Bei einem meiner Streifzüge durch Belgrad, im Stadtteil Deponija, fand ich eine zerknitterte Landkarte am Boden. Aufgeregt hob ich sie auf, in der Vorstellung, etwas Exotisches gefunden zu haben. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass der Zufall einen Scherz für mich parat hatte: es war eine Straßenkarte von Österreich. Was für ein geeigneter Untergrund, um „malo morgen“ darauf zu drucken!

Malo morgen
Malo morgen

Pira Tin

  • Hanna Priemetzhofer, in den 80er Jahren in Österreich geboren, verwendet „Pira Tin“ als Pseudonym. Pira Tin streift umher, lässt sich treiben, beobachtet, sammelt. Sie liebt das Ephemere, den Zwischenraum, Fragmente, Improvisation und Bücher. Auf ihrem Blog gibt sie Einblick in die Sammlungen ihrer Streifzüge. Die Website zeigt vorrangig Arbeiten aus dem Bereich Grafikdesign. Projekte in Zusammenarbeit mit Frances Cat sind unter dem gemeinsamen Namen „System Jaquelinde“ zu finden.
Another Europe (einkanalige Installation (HD-Video), 54’47’’, 2020) ist ein Essayflm in der Tradition des feministischen Experimentalfilms. Der Film ist in drei Abschnitte gegliedert und durch die Zeit vor und nach Corona (oder vielmehr währenddessen) geprägt: I. Sommer 2019, II. Winter 2020 und schließlich III. Frühling 2020: der Bruch durch COVID-19/die lange Reise nach Hause. Eine weibliche Stimme (Künstlerkollegin Kathi Hofer) gibt Eindrücke und Wahrnehmungen wieder, Persönliches und Historisches, die Grenzen von Dokumentation und Erinnerung verschwimmen. Assoziative Gedankenräume werden geschaffen. Stichwort: queer storytelling. Eingangs wird über die Verknüpfung von Ort und Identität reflektiert. Wie verbindet sich persönliche Geschichte mit Geographie (place is integral to personal identity), Stichwort: Her story and space. Im zweiten Teil geht es verstärkt um die Sehnsucht nach der Ferne. Wie ist das mit sich fehl am Platz fühlen? Wo ist eigentlich zu Hause? Wie verbinden sich diese Gefühle mit der eigenen Identität? Dann, ganz plötzlich passiert mitten in diesem Europa, mitten in dem Film, den ich eigentlich schon zu Ende gedacht hatte, die Krise, mit der keiner gerechnet hat und die alles auf einen Schlag verändern wird. Die Reise quer durch Europa wird nunmehr schlagartig zur Reise zurück nach Wien, durch ein völlig verändertes Europa, ganz anders als zu Beginn des Films. Es geht jetzt nur noch um das Ankommen, zu Hause und bei sich selbst. Die visuelle Struktur der Arbeit öffnet eine weitere Ebene und bietet alternative Lesarten an. Zu sehen sind Bilder in Bewegung. Landschaftsaufnahmen, die während der langen Reisen aufgenommen wurden, zeigen ein Bild von einem anderen Europe, jenseits von Touristenrouten. Die Soundkompositonen von Rutger Zuydervelt (Machinefabriek) unterstreichen den atmosphärischen Charakter der Arbeit.

Bilder des Projekts anderen Europe (Auswahl) — Fotodokumentation: Reise Sommer 2019 und Winter 2020
Another Europe
Another Europe
Another Europe

Sangam Sharma

  • Unabhängige Künstlerin und experimentelle Filmemacherin. Sie lässt Werke durch Untersuchung von „Herstory“ entstehen. Sie erforscht Raum und Klang. Ihre Arbeiten stehen am Rande von bildender Kunst, Film/Video und Klangkunst. Geboren in Wien (1978).
Wien Wien (Video, 7’48“, 2021). Der Videobeitrag stellt verschiedene Einstellungen gegenüber Österreich und dem Selbst dar. Dominierend ist die Sichtweise von Großmutter Milka, die Wien kennt und deren Erlebnisse mit der Vorstellung des idealen Anderen verstrickt sind. Andere Meinungen werden durch Kommentare von Großmutter Milena, die noch nie in Österreich gewesen ist, sowie durch das Lachen der anderen Hausinsassen dargestellt, die Oma Milka mit einer gewissen Vorsicht zuhören. Die Vorurteile, die sich hier offenbaren, betreffen sowohl die Serben als auch Österreicher. Die Vorurteile über Österreicher sind positiv und stark idealisiert. Österreich erscheint als Utopie, Serbien wird als negatives Beispiel dargestellt. Und doch stellen sich Risse in der Geschichte ein. Durch die Äußerungen von Großmutter Milka wird deutlich, dass sie sich dieser Utopie nicht anschließt und dass sie dem serbischen ländlichen Diskurs zuzurechnen ist. Mit diesem Beitrag wurde eine Identitätskluft aufgezeigt, mit der sich alle identifizieren können. Großmutter Milka ist zwischen zwei Kulturen hin- und hergerissen. Einerseits würde sie gerne zum Milieu der Stadt Wien dazugehören, doch andererseits bestätigt sie durch ihre eigenen Äußerungen gewisse Vorstellungen über die Serben und deren Kultur.
Wien Wien, Video, 7’48“, 2021.

Tijana Petrović

  • Tijana Petrović besucht gegenwärtig den Masterstudiengang der Fachrichtung Neue Medien an der Fakultät der bildenden Künste Belgrad. Tijana stellt ihre künstlerischen Fragen in einem kritischen institutionellen Rahmen durch verschiedene Formen des Kunstausdrucks wie Performance, Video-Performance, Videokunst, Sprachkunst sowie diskursive Praxen. Ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist auf die aktive Reflexion über zeitgenössische soziale und politische Probleme, sowohl in Serbien als auch darüber hinaus, ausgerichtet. Ihre Kunstwerke stellte sie bislang in Kunsteinrichtungen wie dem Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb, dem KIBLA Multimeda-Center Maribor und der Biennale der zeitgenössischen Kunst in Pančevo aus.
In der Videoarbeit BGTX (Video, HD, 19’, 2018) richtet Ulrich A. Reiterer seinen Blick auf den Wandel von Arbeit im Zeitalter der Shared Economy und auf den Einfluss von Digitalität und Technologien wie Big Data und Machine Learning. Auf der Suche nach Protagonisten im öffentlichen Raum setzte er sich mit Taxifahrer/innen und Trafikant/innen auseinander. Die Protestaktionen und Blockaden einiger hundert Fahrer/innen gegen Online-Vermittlungsdienste zur Personenbeförderung bildeten die Ausgangsbasis für filmische Essays. Er begleitete einige Fahrer/innen auf deren Heimweg und ließ sich Gebäude und Orte zeigen, wie auch historische Ereignisse und Zusammenhänge kommentieren und erklären. Die Erzählungen der Fahrer/innen und deren Wahrnehmung der Stadt und der Architektur Belgrads formen eine spezielle Perspektive, die in der Etablierung eines fiktiven Charakters mündet. Die mit der Hilfe von Machine Learning algorithmisch generierte Off-Stimme führt uns auf gedachten Linien durch das Thema und durch die Stadtlandschaft.
BGTX

Ulrich Reiterer

  • Der Künstler, Filmemacher und Dokumentarist Ulrich A. Reiterer lebt in Wien und Graz. In seinen semi-dokumentarischen Arbeiten beschäftigt er sich mit Aspekten der Transformation von Architektur und Stadt. Dabei arbeitet er mit vielfältigen Akteuren und Einflusssphären wie der Sharing Economy und untersucht so Auswirkungen auf die Gesellschaft.
„Der Makel“ (1920)
Das Triptychon „Der Makel“ (Digital, Grafit, Öl auf Papier, 40 x 30 cm) basiert auf erkennungsdienstlichen Polizeifotos, die von Walter Kratner mit Graphit und Öl überarbeitet wurden und besonders eindringlich beklemmende gesellschaftspolitische Aspekte in den Vordergrund stellen. Die Bilder zeigen, wie wir „andere“ sehen und zu welchen Klischees und Vorurteilen wir greifen, um „andere“ einordnen zu können. Handelt es sich bei den Abgebildeten um Mörder_innen, Unschuldige, Vergewaltiger oder eines Bagatellverbrechens Schuldige? Die Nationalität oder der kulturelle Hintergrund lässt sich nicht einmal auf den zweiten Blick vermuten. Die Fahndungsfotos stellen die verdächtigen Personen in genormter standardisierter Position dar, wie sie von Passfotos hinlänglich bekannt ist. Der individuelle Gesichtsausdruck bleibt trotzdem authentisch erhalten und lässt sich nicht vereinheitlichen oder abstempeln. Hier zwingt uns der Künstler, indem er das Foto mit Bleistift behutsam überarbeitet, genauer hinzusehen. Welchen Vergehens könnte sich der oder die Abgebildete schuldig gemacht haben? Welche Tragödien stecken oft hinter einer verbrecherischen Tat? Verzweiflung? Hass? Liebe? Gewalt? Alkohol oder Drogen? Menschliches Versagen? Oder gar ein Irrtum?
„Der Makel“ (1920)
„Der Makel“ (1920)

Walter Kratner

  • Walter Kratner wurde 1954 in Graz (Österreich) geboren. Er studierte Design und Kunstgeschichte in Florenz. Der akademischen Ausbildung schlossen sich langjährige Aufenthalte in der Schweiz und in den USA an. Er lebt jetzt in Österreich. Zu seinen Installationen im öffentlichen Raum gehört auch das Mahnmal „Porajmos“ für alle im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti am Vorplatz der Basilika am Weizberg (bei Graz). Auf Einladung realisierte er Projekte für das „Djerassi Resident Artists Program“, für das Museum „Exploratorium“ und „The Refusalon Gallery“ in San Francisco. Weitere Ausstellungen in Teheran, Istanbul, Wien, Berlin, Rom, Hamburg und Graz, sowie für mehrere kulturelle Einrichtungen in Europa. Gesellschaftliche und persönliche Amnesie beschäftigen den Künstler. Oft sind es mit Kohlenstaub verdunkelte, historische Fotografien, die den Zerfall des Erinnerungsbildes belegen. In den neueren Arbeiten reflektiert der Künstler die Situation von Flüchtlingen in Europa und im Mittleren Osten.